Eindrücke von der 2. Nationalen Radlogistik-Konferenz

Wir bestellen immer mehr Waren im Internet. Allein im Jahr 2020 stieg die Anzahl der zugestellten Paketsendungen im Vergleich zum Vorjahr um 10 %. Bis 2025 prognostiziert die KEP-Studie 2021 weiterhin ein jährliches Sendungswachstum von ca. 7 %. Doch schon jetzt sind die Straßen in den deutschen Städten zu den Stoßzeiten täglich durch zahlreiche Zustellfahrzeuge verstopft und es entstehen Konflikte mit Radfahrer*innen, weil Zulieferer aufgrund mangelnder Alternativen auf dem Rad- oder Fußweg halten.

Die Experten sind sich einig: Mit geeigneten E-Lastenrädern und Logistik-Systemen können viele Dieseltransporter in der urbanen Logistik ersetzt werden. Die Voraussetzung dafür sind jedoch zentral gelegene Mikro-Depots für das Umschlagen der Waren und eine gute Radverkehrsinfrastruktur, die auch für große Schwerlastenräder ausreichend Platz bereitstellt.

Welche Entwicklungen gab es bei den Herstellern von E-Lastenrädern für den gewerblichen Einsatz in den letzten Jahren? Welche Modelle gibt es, um die individuellen Bedürfnisse der Unternehmen zu erfüllen? Wie sieht es mit Standardisierung der genutzten Container aus? Welche Herausforderungen gibt es bei der Errichtung von Mikro-Depots im öffentlichen Raum und wie kann man sie lösen?

Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmenden der 2. Nationalen Radlogistik-Konferenz am 28. und 29. September 2021 intensiv in Frankfurt am Main. Eine Mitarbeiterin des Mobilitätswerkes war dabei. Am ersten Veranstaltungstag lag der Fokus auf der praktischen Umsetzung von Lastenradbelieferung und Mikro-Depots in Frankfurt und Wiesbaden. Nach der morgendlichen Besichtigung eines frisch eröffneten Mikro-Depots in Form von zwei Containern zweier Unternehmen in Wiesbaden wurde nach der Konferenzeröffnung am Betriebshof Gutleut der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main das Projekt Güter-Tram vorgestellt. Dabei wird erprobt und wissenschaftlich untersucht, wie eine Verteilung von Containern per Straßenbahn und eine anschließende Auslieferung der Sendungen mit Lastenrädern erfolgen kann. Ein spannender Ansatz, der jedoch noch stark weiterentwickelt werden muss und aktuell auch noch vor rechtlichen Hürden steht.

An der anschließenden mehrstündigen öffentlichen Demotour nahmen neben den Konferenzteilnehmenden, die zumeist auf Sharing-Rädern unterwegs waren, zahlreiche Hersteller von Lastenrädern teil. Zu Beginn wurde das Lastenradzentrum als Kompetenzzentrum für den gewerblichen oder privaten Transport von Gütern vorgestellt. Im Anschluss wurde der Einsatz von Lastenrädern zur Belieferung des Facility Managements eines Hochhauses und zur Belieferung von Baustellen mit Baumaterialien für Sanitäranlagen demonstriert. Im Rahmen der Initiative #cleanffm setzt die Frankfurter Stadtreinigung Lastenräder von citkar ein, die bestaunt werden konnten. Außerdem vorgestellt wurden das in der Fachwelt gut bekannte Mikrodepot von UPS in der Meisengasse, eine vom Lieferdienst Sachen auf Rädern als Mikrodepot genutzte Garage sowie ein ebenfalls recht prominentes Mikro-Depot von DHL Express. Wie einfach der Batterietausch an den Swobee-Wechselstationen funktioniert, führten zwei Fahrer von Velotaxi Frankfurt vor. Insgesamt war es ein sehr gelungener Exkursionstag zu spannenden Orten der Radlogistik. So einen Einblick hinter die Kulissen bekommt man nicht alle Tage.

Am Abend des ersten Konferenztages wurde in der Frankfurt University of Applied Science vorgestellt, wie Radlogistik in die Lehre integriert werden kann und in drei verschiedenen Kategorien wurde der Cargo Bike of the Year Award verliehen.

Der zweite Konferenztag im House of Logistics and Mobility (HOLM) bestand aus Vorträgen zu verschiedenen Themen rund um Radlogistik. Nach Impulsen zur Containerisierung und zur Notwendigkeit einer Standardisierung wurde diskutiert, inwiefern die Radlogistik einen Beitrag zur Rettung des Einzelhandels in unseren Innenstädten leisten kann. Synergien von ÖPNV und letzter Meile wurden erneut aufgegriffen und eine abschließende Diskussionsrunde befasste sich mit konkreten Erwartungen der Logistikbranche an die Politik. Das gesamte Vortragsprogramm wurde zeitgleich als hybrides Format Online-Zuschauer*innen zugänglich gemacht. Zwischen den Vortragsblocks wurde die Möglichkeit, die ausgestellten Lastenräder auf einem Testparcours Probe zu fahren, von den Konferenzteilnehmenden intensiv genutzt.

Das Fazit unserer Kollegin: Die Veranstaltung hat mit ca. 180 Teilnehmenden aus den verschiedensten Bereichen der Radlogistik deutlich gezeigt, dass sich in diesem Bereich aktuell sehr viel tut. Die Fertigung der Lastenräder wird mehr und mehr professionalisiert und Kinderkrankheiten werden behoben. Zeitgleich gibt es in zahlreichen Städten Bestrebungen und Pilotprojekte, um innenstadtnahe Flächen für Mikro-Depots bereitzustellen, die Logistikunternehmen den Umstieg auf die emissionsfreie Belieferung mit E-Lastenrädern erleichtern. Dabei können Container aufgrund der schwierigen Integration ins Stadtbild keine dauerhafte Lösung bleiben, sondern der Fokus sollte insbesondere auf Parkhäusern und anderen Bestandsimmobilien liegen. Für Neubauten und neue Quartiere sind zudem Vorgaben für die Bereitstellung von Logistikflächen zu entwickeln. Wenn möglich sollten immer anbieterneutrale Lösungen geschaffen werden, um kleine und mittlere Unternehmen nicht zu benachteiligen.

Damit solche Projekte zielgerichtet umgesetzt werden können, müssen Verkehr und Wirtschaft sowohl in der Politik als auch in den kommunalen Verwaltungen gemeinsam gedacht werden. Trotz aller Euphorie in Anbetracht der positiven Entwicklungen in der Lastenradlogistik darf jedoch nicht vergessen werden, dass nicht alle Waren (z.B. große Möbel) mit Lastenrädern transportiert werden können. Größere motorisierte Lieferfahrzeuge werden weiterhin ergänzend zum Einsatz kommen. Kommunen müssen deshalb in vielbefahrenen Stadtgebieten verstärkt Lieferzonen errichten, um Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmenden zu reduzieren. Auch für gewerbliche Lastenräder, deren Maße jene von normalen Fahrrädern deutlich überschreiten, bedarf es geeigneter Abstellflächen, um das Problem der mit Lieferfahrzeugen verstopften Straßen nicht 1:1 auf die Rad- und Fußwege zu verlagern.