Seit Jahrzehnten fordern Stadtbewohner:innen ausgedehnte Grünflächen, sichere Verkehrsbedingungen und eine bessere Luft- als auch Lebensqualität. Die Gründe liegen auf der Hand: noch immer wächst unser Land mit und für unseren steten motorisierten Begleiter. Der Motorisierungsgrad in Deutschland hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Zudem sind neu zugelassene Fahrzeugmodelle breiter und länger als die, die sie ersetzen. Während der letzten 30 Jahre wuchs die Verkehrsfläche Deutschlands um ca. 10 % und beherbergt, neben rollenden Fahrzeugen, vor allem geparkte. Die acht einwohnerreichsten deutschen Städte widmen durchschnittlich 12 % ihrer Verkehrsfläche den privaten Pkw. In München sind es 18,6 %. In Berlin entspricht die Parkfläche ganzen 214 Alexanderplätzen.
Im Angesicht dieser steigenden Parkraumnachfrage und der Unmöglichkeit neue Flächen zu erschaffen, sollte der vorhandene Parkraum bestmöglich genutzt werden. Hier kommen Parkraummanagement-Strategien ins Spiel. Im Gegensatz zur privaten Parkraumbewirtschaftung einer Tiefgarage, muss sich die kommunale Parkraumbewirtschaftung komplexeren Interessenskonflikten stellen. Die Reaktion der Parkenden auf Umnutzungs- und Umbaumaßnahmen sowie gesetzliche Veränderungen ist schwierig abzuschätzen, doch kritisch für eine gewinnbringende Parkraumbewirtschaftung.
Ein von der Europäischen Union mit 450.000 Euro gefördertes innovatives Parkraummanagement-Projekt, konnte von 2017 bis 2021 im neuen Bremer Hulsberg-Viertel mitgestaltet werden. Oftmals sind Fördermittel an die Umsetzung vordefinierter Maßnahmen gebunden. Unter dem Namen SUNRISE wurde die Mitarbeit der Bewohner:innen des Modellquartiers genutzt, um lokalen Problemen mit gemeinsam erarbeiteten und auf die persönlichen Bedürfnisse der Anwohner:innen zugeschnittenen Maßnahmen zu begegnen. Ein projekteigenes Info-Magazin, zahlreiche Projektauftritte bei Stadtteilfesten und frühzeitige Ankündigungen von Veränderungen im Parkraum hielten die Motivation aufrecht und schufen die für den Erfolg wichtige „mentale“ Eigentümerschaft am Projektfortschritt.
Aufgrund des forschenden Projektcharakters wurden die Effekte der umgesetzten Maßnahmen gemeinsam evaluiert und abschließend Bilanz gezogen: zu radikalen Innovationen ist es selbst unter Einsatz der Rudelkreativität nicht gekommen. Ebenso vertrug der partizipative Ansatz durch die Unvorhersagbarkeit des Projektverlaufs keine Eile und unter manchen Anwohner:innen aufkommende Beteiligungsmüdigkeit. Was ist gut gelaufen? Durch den intensiven Austausch floss Energie in relevante Problemfelder und stärkte den Zusammenhalt im Viertel. Durch die Einführung von Bewohnerparkausweisen und die Bereitstellung alternativer Stellplätze konnte der Parkdruck im Quartier gesenkt werden. Einseitiges On-Street-Parken und die konsequentere Kontrolle der Einhaltung neuer Regelungen erleichtern Fußgänger:innen, Radfahrenden, körperlich Beeinträchtigten und Dienstleistern das Bestreiten ihrer täglichen Wege und schufen Platz für neue Mobilstationen oder grüne Stadtmöbel. Außerdem stehen der Stadt durch die zuvor durchgeführte Parkraum-Analyse nun aktuelle Daten zur Verfügung. Interessant ist beispielsweise, dass 26 Prozent der im Quartier geparkten Autos an drei aufeinanderfolgenden Tagen nicht bewegt worden sind.
Nun bleiben die Ergebnisse einer handfesten Vorher-Nachher-Analyse abzuwarten. Denn in der Lokalität der umgesetzten Konzepte liegt auch ihr größtes Manko: Parkdruck könnte sich lediglich auf angrenzende Quartiere verlagert haben. Bestätigt sich dies, sollten im Kleinen gut funktionierende Veränderungen auf alle Stadtteile ausgeweitet werden.
Wir vom Mobilitätswerk schauen mit großem Interesse auf Projekte wie das SUNRISE-Projekt, um gewonnene Erfahrungen in unsere Mobilitätskonzepte für Kommunen und Landkreise einfließen zu lassen. Das Thema Parkraummanagement wird uns in der Zukunft bei der dringend notwendigen Mobilitätswende weiterhin begleiten. Weniger parkende private Pkw im öffentlichen Raum schaffen Platz für alternative Mobilitätsformen des Umweltverbundes. Kommunikation ist dabei der Schlüssel zum Erfolg und für die Akzeptanz der Bevölkerung. Wir bleiben dran!